Die Zeichen des Theaters

Für den Unterricht im Darstellenden Spiel greifen wir auf zwei Basistexte zurück, die beide dem Band Grundkurs Darstellendes Spiel – Theatertheorien entnommen sind. Einer dieser Texte beschäftigt sich mit den Zeichen des Theaters und versteht Theater als ein System, das Zeichen hervorbringt. Passenderweise trägt er den Titel Theater als Zeichensystem und wurde von der Theaterwissenschaftlerin Erika Fischer-Lichte verfasst. Das, worum es geht, ist für unsere Inszenierungsarbeit sehr zentral; daher möchte ich es euch hier näher bringen und hole zu diesem Zweck etwas weiter aus.

Was sind überhaupt Zeichen?

Ein Zeichen ist etwas, das uns etwas sagen oder das etwas bedeuten kann. Zum Beispiel sind Straßenschilder Zeichen, die uns sagen, was wir tun sollen, wie zum Beispiel anhalten oder umkehren. Aber Zeichen gibt es natürlich nicht nur auf der Straße! Sie sind überall um uns herum. Zum Beispiel sind die Emojis, die wir auf unseren Handys verwenden, ebenfalls Zeichen. Jedes Emoji hat eine eigene Bedeutung und hilft uns, unsere Gefühle auszudrücken. Sogar Wörter sind Zeichen! Wenn wir lesen, sehen wir Buchstaben, die Wörter bilden. Diese Wörter sind Zeichen, die uns Geschichten erzählen oder uns Informationen geben.

Also, Zeichen sind wichtig, weil sie uns helfen, die Welt um uns herum zu verstehen und miteinander zu kommunizieren.

Bedeutung | Semiotik

Was alle Zeichen vereint – ganz gleich ob es sich bei ihnen um Straßenschilder, Emojis, Wörter oder Bilder, Töne oder was auch immer handelt – sie haben eine bestimmte Bedeutung und es gibt eine wissenschaftliche Disziplin, die sich mit der Untersuchung von Zeichen und ihrer Bedeutung befasst. Man nennt sie Semiotik! Die Semiotik erforscht, wie Zeichen in verschiedenen Kontexten verwendet werden, um Bedeutung zu erzeugen und Informationen zu vermitteln.

Ursprünglich von Ferdinand de Saussure entwickelt und weiterentwickelt, hat die Semiotik seitdem viele verschiedene Ansätze und Theorien hervorgebracht, die sich mit der Analyse von Zeichen in Sprache, Literatur, Kunst, Kultur und anderen Bereichen wie eben auch im Theater beschäftigen.

Im Wesentlichen betrachtet die Semiotik Zeichen als grundlegende Bausteine der Kommunikation und untersucht, wie sie verwendet werden, um Bedeutung zu konstruieren. Sie betrachtet nicht nur sprachliche Zeichen wie Wörter und Sätze, sondern auch visuelle Zeichen wie Bilder, Gesten und Symbole.

Die Semiotik untersucht u.a. auch, wie Zeichen in verschiedenen kulturellen Kontexten interpretiert werden und wie Bedeutungen sich im Laufe der Zeit und in verschiedenen Gesellschaften verändern können.

Das Zeichen in semiotischer Hinsicht

Das Konzept des Zeichens und das Konzept der Sprache als Zeichensystem wurde vom französischen Semiotiker Ferdinand de Saussure entwickelt. Am Ende sind die Zusammenhänge, mit denen er sich beschäftigt hat, komplexer als wir sie hier brauchen. Interessant ist für uns der Zusammenhang zwischen dem Zeichen an sich, bzw. seinem äußeren Erscheinungsbild und dem, worauf es in der Welt hinweist, dem konzeptuellen Inhalt.

In semiotischer Hinsicht ist ein „Zeichen“ also eine grundlegende Einheit, die eine Bedeutung vermittelt oder repräsentiert und aus zwei Komponenten besteht:

Dem äußeren Erscheidungsbild / der Beschaffenheit des Zeichens – Signifiant

Dem konzeptuellen Inhalt, der Bedeutung, die man mit ihm verbindet – Signifié

Ein klassisches Beispiel, um die Beziehung zwischen Signifiant und Signifié zu verdeutlichen, ist das Wort „Baum“. Der Signifiant ist das gesprochene oder geschriebene Wort „Baum“, während der Signifié das Konzept oder die Vorstellung eines Baumes ist, das in unserem Geist entsteht, wenn wir das Wort hören oder lesen. Gemeinhin ist die Beziehung zwischen Signifiant und Signifié vergleichbar, sie ist bei uns Menschen ähnlich- wir wissen, was der andere meint, wenn er Baum sagt – aber total identisch ist es nicht. Es hängt ab von unseren Erfahrungen, von unserem kulturellen Hintergrund und vielem mehr.

Das Zeichen des Theaters

Erika Fischer-Lichte ist eine renommierte deutsche Theaterwissenschaftlerin, die sich intensiv mit den Zeichen und Codes des Theaters befasst hat. In ihrem Werk „Ästhetik des Performativen“ und anderen Schriften beschreibt sie die Zeichen des Theaters, ihre Bedeutung und Bedeutungszusammenhänge. Das System und die Zeichen sehr ihr weiter unten abgebildet. Vorab soll auf den grundlegenden Erkenntnissen zu Zeichen im Allgemeinen aufbauend aber noch eine Besonderheit erläutert werden, die für die Zeichen des Theaters gelten.

Wir fassen noch einmal kurz zusammen: Ein Zeichen ist ein DING, das in vielen Formen auftauchen kann und eine Einheit darstellt aus einer bezeichnenden Gestalt oder auch Beschaffenheit und einem bezeichneten Etwas aus der Wirklichkeit bzw. unserer Erfahrungswelt. Kraft unseres Wissens von der Welt können wir beides miteinander in Beziehung setzen und so einen Bedeutungszusammenhang herstellen: Wir verstehen das Zeichen! Der Prozess der Bedeutungsherstellung wird als Semiose bezeichnet.

Die einfachste Form der Semiose ist, wenn wir etwas sehen, unser Gehirn dieses ETWAS in Gedanken zerlegt und aufgrund der Beschaffenheit der einzelnen Teile dann erkennt, was es ist. Wir sehen also ein Etwas, das besteht aus einer Platte, vier Holzbeine darunter, eine Lehne – Aha, ein Stuhl! Da kann selbst ein Bein fehlen, wir erkennen, es handelt sich um einen Stuhl.

Im Theater passiert aber noch mehr. Die Bühne ist ein Ort, an dem Bedeutungen geschaffen werden. Die Bühne, die “Bretter, die die Welt bedeuten”, erschafft auch neuen Sinn, weil ein Stuhl nicht nur ein Stuhl ist, sondern auch ein Thron sein kann, eine Toilette, ein Auto. Es kommt darauf an, was wir mit diesem Stuhl machen! Die Bedeutung der Sache verändert sich mit der Art und Weise, wie man sie bespielt!

Die theatralischen Zeichen, so Fischer-Lichte, sind Zeichen von Zeichen, sie sind polyfunktional– sie tragen viele Bedeutungen in sich.

Genauso kann ich ein Signifié, eine Bedeutungsebene mit ganz unterschiedlichen Zeichen erreichen. Ich kann das Gefühl der Trauer mit Musik, mit Kostümen, mit Klagerufen oder Regengeräuschen realisieren. Ich bewege mich hier zwischen verschiedenen Zeichenkategorien – diesen Zusammenhang nennt man Mobilität der Zeichen: ich kann einen Bedeutungszusammenhang mit unterschiedlichen Zeichen erschaffen.

Die triadische Zeichenrelation

Eine triadische Zeichenrelation bezieht sich auf das Konzept in der Semiotik, das von Charles Sanders Peirce entwickelt wurde. Peirce betrachtete Zeichen als Teil eines dreigliedrigen Beziehungsmodells, das aus drei Komponenten besteht: dem Zeichen (Sign), dem Objekt (Object) und dem Interpretanten (Interpretant). De Saussure wird hier also insofern erweitert, als dass wir denjenigen oder diejenige, die den Bedeutungszusammenhang herstellt, einbeziehen. Dies ist für das Theater nicht unbedeutend, denn hier kommt ein wichtiger Akteur ins Spiel: die Zuschauer!

Das Zeichen (sign) repräsentiert das materielle Element oder Symbol, das eine Bedeutung vermittelt. Es kann ein Wort, ein Bild, eine Geste oder ein anderes symbolisches Element sein. Das Objekt ist das, was das Zeichen repräsentiert oder auf das es sich bezieht. Es kann ein tatsächlicher Gegenstand, ein Konzept, eine Idee oder eine Erfahrung sein. Der Interpretant ist die Interpretation oder der Sinn, den das Zeichen für denjenigen hat, der es wahrnimmt oder interpretiert. Es ist die Bedeutung, die durch die Beziehung zwischen dem Zeichen und dem Objekt entsteht.

Sonstige Relationen

Zeichen stehen nicht nur in Beziehung zu den Objekten in der Welt, sondern auch untereinander. Sie können sich verstärken, wenn sie allesamt die eine Aussage verfolgen, sie können aber auch Widersprüche und Brüche schaffen. Wenn wir eine Trauergemeinde haben und der Pfarrer trägt eine rote Clownsnase, so wird ein Reibungspunkt geschaffen, der ja durchaus gewollt sein kann.

Das Zeichensystem des Theaters | Theatralische Zeichen

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