Verfassungsnorm

Ausgangspunkt: Verfassungsnorm vs. Verfassungsrealität

  • Das Grundgesetz (GG) garantiert subjektive Rechte – also Rechte des Einzelnen gegenüber dem Staat.
  • Doch zwischen dem, was auf dem Papier steht (Verfassungsnorm), und dem, was in der Realität geschieht (Verfassungsrealität), kann eine große Lücke klaffen.
  • Ziel des Grundgesetzes war es, nach den Erfahrungen der NS-Diktatur eine freiheitlich-demokratische Grundordnung zu schaffen, in der die Würde des Menschen unantastbar ist (Art. 1 Abs. 1 GG).

Grundrechte als subjektive Rechte

Subjektive Rechte sind Ansprüche oder Abwehrmöglichkeiten, die Einzelpersonen gegenüber dem Staat haben.

Die vier klassischen Kategorien:

KategorieBedeutungBeispiel
status negativusAbwehrrechte gegen rechtswidriges staatliches Handelnz. B. Schutz vor ungerechtfertigten Eingriffen in die Privatsphäre (Art. 10 GG: Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis)
status positivusAnspruch auf staatliches Handeln (Leistungen)z. B. Anspruch auf Schulbildung oder soziale Sicherheit
status activusPolitische Mitwirkungsrechtez. B. Wahlrecht (Art. 38 GG), Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG)
status processualisRecht auf Beteiligung in Verfahrenz. B. rechtliches Gehör vor Gericht (Art. 103 Abs. 1 GG)

Historische Entwicklung

  • Die Grundrechte begannen historisch als reine Abwehrrechte gegen den Staat (z. B. Schutz vor willkürlicher Verhaftung oder Eigentumsentzug).
  • Heute sind sie auch LeistungsrechteTeilhabe- und Mitwirkungsrechte.
  • Die Demokratie des GG verlangt, dass der Wille des Volkes zur Geltung kommt – z. B. durch Wahlen, Gesetzgebung und Beteiligung.

Zentrale Grundprinzipien
(nach Art. 20 GG)

Diese Prinzipien machen das demokratische Staatswesen aus:

  • Achtung der Menschenwürde
  • Volkssouveränität (alle Staatsgewalt geht vom Volk aus)
  • Gewaltenteilung (Legislative, Exekutive, Judikative)
  • Gesetzmäßigkeit der Verwaltung
  • Unabhängigkeit der Gerichte
  • Mehrheitsprinzip (aber mit Minderheitenschutz)
  • Chancengleichheit (auch für Opposition)

Systematik der Grundrechte – mit Beispielen aus dem GG

Hier sind die Hauptgruppen von Grundrechtsgarantien, mit konkreten Artikeln:

Grundrechtsgarantien für die politische Mitwirkung

Diese Rechte sichern die Teilhabe am demokratischen Prozess.

ArtikelInhalt
Art. 5 GGMeinungs-, Informations- und Pressefreiheit
Art. 8 GGVersammlungsfreiheit
Art. 9 GGVereinigungsfreiheit
Art. 20 GGWiderstandsrecht gegen jeden, der die Ordnung beseitigen will
Art. 38 GGAllgemeines Wahlrecht (Bundestag)

Grundrechtsgarantien für den wirtschaftlichen Lebensbereich

ArtikelInhalt
Art. 12 GGBerufsfreiheit
Art. 14 GGEigentumsgarantie
Art. 15 GGSozialisierung von Eigentum möglich (z. B. bei Wohnraum)
Art. 2 GGFreie Entfaltung der Persönlichkeit – auch wirtschaftlich

Grundrechtsgarantien für die persönliche Privatsphäre

ArtikelInhalt
Art. 1 GGSchutz der Menschenwürde
Art. 2 GGAllgemeines Persönlichkeitsrecht
Art. 10 GGSchutz des Post-, Brief- und Fernmeldegeheimnisses
Art. 13 GGUnverletzlichkeit der Wohnung

Grundrechte für Ehe, Familie, Eltern-Kind-Beziehung und Schulen

ArtikelInhalt
Art. 6 GGEhe und Familie stehen unter besonderem Schutz
Art. 7 GGSchulwesen – staatliche Aufsicht über das Bildungssystem

Grundrechte im Sinne von Gleichheit und Sozialstaat

ArtikelInhalt
Art. 3 GGGleichheit vor dem Gesetz – keine Diskriminierung wegen Herkunft, Geschlecht, Religion etc.
Art. 20 GGSozialstaatsprinzip
Art. 20a GGUmweltschutz als neues Staatsziel

Staatsstrukturprinzipien
(Art. 20 GG)

Diese bilden das organisatorische Gerüst des Staates:

PrinzipBedeutung
DemokratieprinzipVolkssouveränität, freie Wahlen, Meinungsvielfalt
RechtsstaatsprinzipGewaltenteilung, Rechtsschutz, Gesetzesbindung
SozialstaatsprinzipSoziale Sicherheit, Gerechtigkeit, Schutz der Schwachen
BundesstaatsprinzipFöderale Ordnung – Bundesländer mit Eigenständigkeit

🔵 Besondere Hinweise zu einzelnen Prinzipien:

  • Demokratie: Auch Minderheiten haben Rechte auf Mitgestaltung.
  • Rechtsstaat: Keine staatliche Maßnahme ohne gesetzliche Grundlage.
  • Sozialstaat: Staat schützt nicht nur formale, sondern auch soziale Gleichheit.
  • Bundesstaat: Länder sind an der Gesetzgebung beteiligt (Bundesrat), Stimmgewicht abhängig von Einwohnerzahl (Art. 51 GG).

Umweltschutz als neues Staatsziel

  • Art. 20a GG: Der Staat schützt die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere.
  • Ziel: Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und Schutz zukünftiger Generationen.