Wenn wir auf der Bühne stehen, sind wir nie einfach nur im irgendwo. Jeder Ort auf der Bühne ist relevant, hat eine bestimmte Wirkung auf / eine bestimmte Bedeutung für das Publikum. Wir merken das oft gar nicht, machen es uns beim Spiel nicht richtig bewusst, aber das Publikum spürt es sofort.
Um es bewusst zu machen, braucht es Übungen. Zunächst teilen wir die Bühne in ein Raster mit neun Punkten auf:
- Vorne links – Vorne Mitte – Vorne rechts
- Mitte links – Mitte Mitte – Mitte rechts
- Hinten links – Hinten Mitte – Hinten rechts
Diese Punkte sind wie Haltestellen, an denen wir bewusst Position beziehen können.
- Wenn du vorne Mitte stehst, bist du dem Publikum ganz nah: deine Worte und Gesten wirken sofort direkt und stark.
- Wenn du hinten Mitte stehst, wirst du kleiner und geheimnisvoller – fast so, als würdest du Abstand halten.
- Wenn du auf einer Seite stehst, wirkt es manchmal, als ob du aus dem Bild herausdrückst oder Raum für etwas Anderes lässt.
- In der Mitte begegnet man sich, man teilt den Raum – das ist oft neutraler.
Super Sache: Du kannst deine Wirkung bewusst steuern.
- Willst du mächtig wirken? Geh nach vorne Mitte.
- Willst du etwas Heimliches andeuten? Geh nach hinten.
- Willst du Bewegung und Energie erzeugen? Nutze die Seiten.
Das Publikum merkt sofort, dass etwas anders ist – auch wenn du gar nichts sagst. Schon allein dadurch, wo du stehst, erzählst du eine kleine Geschichte.
In den kommenden Übungen wollen wir das vertiefen: Wir lernen, wie wir uns bewusst im Raster bewegen und damit Präsenz, Spannung und Beziehungen auf der Bühne gestalten können.
Übung 1 – Wirkung spüren
- Ablauf: Einzelne Spieler:innen stellen sich nacheinander auf verschiedene Punkte.
- Publikum oder MitSpieler:innen beschreiben spontan, wie die Person wirkt: stark, unsicher, präsent, geheimnisvoll usw.
- Die Person selbst darf anschließend sagen, wie es sich „von innen“ anfühlt.
- Ziel: Bewusstsein dafür schaffen, dass Raum = Wirkung ist.
Übung 2 – Der gleiche Satz an verschiedenen Punkten
- Alle bekommen denselben Satz (z. B. „Ich habe etwas Wichtiges zu sagen“).
- Dieser Satz wird nacheinander von verschiedenen Punkten gesprochen.
- Danach Reflexion: Wie verändert sich die Wirkung desselben Satzes durch die Position auf der Bühne?
- Variation: Ein Satz flüsternd hinten (Punkt 7–9) vs. kraftvoll vorne (Punkt 1–3).
Übung 3 – Begegnungen im Raster
- Zwei Spieler:innen starten auf beliebigen Punkten.
- Sie spielen eine kleine Szene (z. B. ein Gespräch im Park).
- Spielleitung ruft zwischendurch: „Wechsel!“ → Eine Person muss sofort auf einen neuen Punkt.
- Beobachten: Wie verändert sich die Beziehung durch die räumliche Verschiebung? (z. B. Nähe/Dominanz, Distanz/Unterlegenheit).
Übung 4 – Emotionen im Raum
- Jede Punktreihe (vorne – Mitte – hinten) bekommt eine Grundemotion:
- Vorne = stark/offensiv
- Mitte = neutral
- Hinten = zurückhaltend/geheimnisvoll
- Spieler:innen bewegen sich über mehrere Punkte hinweg und passen ihre Körperhaltung/Emotion entsprechend an.
- Ziel: Raum als Verstärker von Emotion erleben.
Übung 5 – Statusspiel im 9-Punkte-Feld
- Zwei Spieler:innen treten an.
- Eine Figur beginnt vorne (Punkt 1–3), die andere hinten (Punkt 7–9).
- Durch eine Szene (z. B. Bewerbungsgespräch, Verhör, Verhandlung) spüren sie, wie die Bühnenposition den Status unterstützt oder verändert.
- Danach können Positionen getauscht werden, um den Effekt zu erleben.
Übung 6 – Szenisches „Freeze mit Feld“
- Zwei Spieler:innen spielen eine kurze Szene.
- „Freeze!“ → Spielleitung ruft einen neuen Punkt.
- Eine Figur muss dorthin wechseln, Szene geht sofort weiter.
- Spannend: Manchmal wirkt dieselbe Handlung plötzlich ganz anders, nur weil sie räumlich verschoben ist.
Übung 7 – Ensemble-Bilder
- Die Hälfte der Gruppe verteilt sich auf die 9 Punkte.
- Aufgabe: Ein Standbild erzeugen, das sofort eine Stimmung transportiert (z. B. „Hochzeit“, „Fußballspiel“, „Bahnhof“).
- Danach kurze Reflexion mit der anderen Hälfte der Gruppe: Welche Felder haben Aufmerksamkeit gezogen? Welche Figuren wirkten im Hintergrund?